Bartenstein-Schloss war KZ-Außenlager: "Sicher nichts gewusst"
Wirtschaftsminister: Über Gedenktafel noch "nachdenken" - Wahlkampfleitung der Landes-VP befindet sich dort
Graz/Wien – Jenes Schloss in der Gemeinde Lannach bei Graz, in dem sich der Sitz des Unternehmens der Familie von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) befindet, war bis 8. Mai 1945 eines von acht Außenlagern des Konzentrationslagers Mauthausen. Frauen, die als Zeuginnen Jehovas zuerst im KZ Ravensbrück interniert waren, wurden 1944 über das Tiroler Außenlager Mittersill in das Subkommando Lannach als Zwangsarbeiterinnen überstellt.
Was Historikern seit Jahren bekannt ist, ist dem Minister – dessen Vater in den 50-Jahren in die 1947 gegründete Lannacher Heilmittel GmbH einstieg, um sie 1966 zu übernehmen – neu. Bartenstein zum Standard: „Ich höre heute das erste Mal davon und bin völlig überrascht.“ Nachsatz: „Ich habe davon sicher nichts gewusst.“ Bartenstein wohnt nicht nur in dem Schloss, sondern hat auch seine Wahlkampfleitung dort aufgebaut – er ist Spitzenkandidat der steirischen ÖVP.
Bartensteins Unwissen für Historiker nicht nachvollziehbar
Auch auf der Homepage des Unternehmens reißt die Chronik des 1590 erbauten Schlosses 1816 mit dem Hinweis auf „die vielseitige Geschichte“ ab, um erst 1947 ihre Fortsetzung zu finden. Für den Wiener Zeithistoriker Bertrand Perz ist Bartensteins Unwissen nicht nachvollziehbar. Perz schrieb gemeinsam mit seinem Kollegen Florian Freund zwei Beiträge über die KZ-Außenlager Mittersill und Lannach für den vierten Band der Buchreihe „Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager“ (Erscheinungstermin Oktober 2006).
Forderung nach Gedenktafel
Darin erfährt man, dass sich das SS-Institut für Pflanzengenetik im Schloss Lannach befand, das Heinrich Himmler 1943 errichten ließ. Perz: „Es ist erstaunlich, dass bereits 1947 ein Unternehmen an diesem Ort eingerichtet wurde, das sich wieder unter anderem mit pflanzlichen Heilmitteln beschäftigt.“ Dokumentiert ist, dass 15 Frauen in Lannach internierte waren. Sie waren zwischen 32 und 59 Jahre alt, kamen aus Polen, Deutschland sowie dem damaligen Protektorat Böhmen und Mähren und wurden in Lannach vor allem zu Reinigungsdiensten gezwungen. Eine der Frauen könnte auch in Lannach verstorben sein. Vertreter der Opferverbände fordern nun, dass die Geschichte des Schlosses bewusst gemacht wird. Ein Sprecher Mauthausen Komitees Steiermark meinte am Donnerstag: „Sollte Bartenstein tatsächlich nichts gewusst, muss man ihm trotzdem vorwerfen, sich nicht für diesen Teil der Geschichte seines Schlosses interessiert zu haben. Das Mindeste wäre es jetzt, für eine angemessene Form der Erinnerung – etwa mit einer Gedenktafel – zu sorgen.“ Denn bereits vor fast zehn Jahren sei das Außenlager Lannach erstmals in der wissenschaftlichen Literatur erwähnt worden. Vom Standard darauf angesprochen, meint Minister Bartenstein: Über eine Gedenktafel müsse er noch „nachdenken“. (Colette M. Schmidt/DER STANDARD, Printausgabe, 25.8.2006)
Ein sauberer Bursch unser reichster Politiker Österreichs, der noch nachdenken muss, ob er für den FAmilienprofit aus der Nazizeit eine Gedenktafel installieren soll. Für mich erhärtet sich der Verdacht, dass wohl alle in der Politik eine vererbte Macht repräsentieren. Irgendwie sieht's so aus, als ob alle Ahnen der Politiker eine sehr lukrative NS-Zeit streifen.